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Diskriminierung sichtbar machen

Antidiskriminierungsstelle startet größte bundesweite Umfrage zu Benachteiligungen.

Ferda Ataman und Michaela Engelmeier stehen vor einem Aufsteller mit SoVD-Logos.
Erst vor Kurzem trafen sich die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier und Ferda Ataman zum Austausch. Ataman war zudem Rednerin und Podiumsgast beim Parlamentarischen Abend des SoVD. Foto: SoVD

Seit Mitte November rufen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) und prominente Unterstützende zur Teilnahme an Deutschlands größter Umfrage zu Benachteiligungen auf. Unter dem Motto: „Deine Erfahrung zählt – die Umfrage zu Diskriminierung in Deutschland“ können alle Menschen ab 14 Jahren bis zum 28. Februar 2026 anonym ihre Erfahrungen mit Benachteiligungen teilen. Der Fragebogen ist online oder im Papierformat sowie in vielen Sprachen erhältlich. 

Ob im Beruf, in der Schule oder im Gesundheitswesen – Diskriminierung gehört für viele Menschen zum Alltag. Wie häufig sie vorkommt, in welchen Lebensbereichen sie auftritt und welche Folgen das für die Betroffenen hat, ist bislang kaum bekannt. Mit der deutschlandweiten Umfrage will die Antidiskriminierungsstelle des Bundes diese Lücke schließen. Ziel ist es, ein umfassendes Bild von Diskriminierungserfahrungen in Deutschland zu gewinnen. 

Umfrage und Befragung

„Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Menschen immer unverblümter Rassismus, Antisemitismus, Frauenhass und anderen Abwertungen ausgesetzt sind, ist es wichtig, Betroffene sprechen zu lassen. Jeder Fall von Diskriminierung ist einer zu viel“, sagte die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, zum Auftakt der Befragung. „Mit der Umfrage wollen wir mehr Erkenntnisse darüber gewinnen, wie häufig und in welcher Form Menschen in Deutschland Diskriminierung erleben.“ Verlässliche Daten und Fakten ermöglichten Veränderungen, so Ataman. 

Zur bundesweiten Befragung, die bis zum 28. Februar 2026 läuft, gelangt man online über: https://diskriminierung-umfrage.de. Die Ergebnisse werden nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes voraussichtlich im Frühsommer 2027 veröffentlicht. Ergänzend dazu untersucht – laut ADS – auch eine repräsentative Befragung, wie viele Menschen in Deutschland von Diskriminierung betroffen sind und was sie über den Schutz davor wissen. 

Ferda Ataman möchte Unterstützungsangebote verbessern„Wir tappen bei diesem Thema oft im Dunkeln“

Ferda Ataman wurde im Juli 2022 vom Deutschen Bundestag zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt. Im Interview mit der SoVD-Zeitung sprach sie über die Hintergründe und Ziele der bislang größten bundesweiten Umfrage zu Benachteiligungen. 

Was wissen wir über Diskriminierung in Deutschland? 

Diskriminierung macht den Menschen das Leben schwer – egal, ob beim Amt, im Job oder bei der Wohnungssuche. Und sie ist verboten. Menschen nur wegen ihres Alters, wegen des Geschlechts, einer Behinderung, wegen der sexuellen Orientierung, der Religion oder aus rassistischen oder antisemitischen Gründen zu benachteiligen, verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Und doch tappen wir bei dem Thema oft im Dunkeln. 

Bisher wissen wir in Deutschland noch ziemlich wenig darüber, wie oft Menschen tatsächlich Diskriminierung erleben, in welchen Lebensbereichen sie auftritt und, welche Folgen sie für die Menschen hat. Die Wenigsten, die Diskriminierung erleben, melden sich bei Beratungsstellen. Auch Studien geben bisher kein vollständiges Bild über Diskriminierung. Sie konzentrieren sich oft auf bestimmte Gruppen, einzelne Lebensbereiche oder bestimmte Formen von Benachteiligung. Dadurch fehlt uns der Überblick darüber, wie weit Diskriminierung in der Gesellschaft wirklich verbreitet ist. 

Welche Zahlen liegen bislang dazu vor? 

Wir beraten Menschen, die Diskriminierung erleben und klären sie über ihre Rechte auf. Das gehört zu unseren Kernaufgaben. Einmal im Jahr werten wir alle Beratungsanfragen aus und veröffentlichen die Ergebnisse in unserem Jahresbericht. Seit ich die Stelle leite – nun seit drei Jahren – sehen wir einen deutlichen Trend: Die Zahl der Anfragen steigt jedes Jahr an. 2024 haben sich rund 11.400 Menschen an unser Beratungsteam gewandt – so viele wie noch nie zuvor. Seit 2019 hat sich die Zahl der Beratungsfälle bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes fast verdreifacht. 

Welches ist das Ziel der Befragung? 

Wir wollen mit unserer Umfrage Diskriminierung sichtbar machen und unsere Unterstützungsangebote verbessern – gerade in diesen Zeiten. Unsere Umfrage ist die bisher größte Umfrage zu Diskriminierung in Deutschland. Wir wollen die ganze Bandbreite aufzeigen. Uns interessiert, wer Diskriminierung erlebt, wo Menschen diese Erfahrung machen, wie sie damit umgehen, was sie über den Schutz vor Diskriminierung wissen.

Welche Gruppen sind angesprochen und können sich zu ihren Erfahrungen äußern? 

An der Umfrage können alle Menschen teilnehmen, die über 14 Jahre alt sind, in Deutschland leben und schon einmal Diskriminierung erfahren haben. Diskriminierung kann jeden treffen, egal, ob alt oder jung, woher die Menschen kommen, welches Geschlecht sie haben oder wen sie lieben. 

Die Teilnahme an unserer Befragung ist anonym. Mitmachen ist einfach. Es gibt einen Online-Fragebogen, der verständlich und einfach gestaltet ist. Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen. Deshalb haben wir die Umfrage in mehreren Sprachen verfasst – darunter in Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch, Spanisch, Russisch, Polnisch, Ukrainisch sowie in deutscher Gebärdensprache und in einfacher Sprache. Der Startschuss war Mitte November, bis Februar 2026 läuft die Befragung. Je mehr Menschen mitmachen, desto aussagekräftiger werden die Ergebnisse.

Warum ist die Befragung gerade aktuell so wichtig? 

Die Lage ist ernst. Immer mehr Menschen spüren die Polarisierung und Radikalisierung in ihrem Alltag. Sie nehmen wahr, dass der Ton in unserer Gesellschaft rauer wird. Sie erleben, dass sie schlechter behandelt werden. Das erzählen uns die Betroffenen, die sich bei uns in der Beratung melden. 

Gerade jetzt, in einer Zeit, in der Gruppen immer unverblümter beleidigt und angegriffen werden, ist es wichtiger denn je, den Betroffenen eine Stimme zu geben. Wir wollen zeigen: Ihre Erfahrung zählt! Sie sind entscheidend, um Diskriminierung sichtbar zu machen – nur so lässt sich daran etwas ändern!

Welche Rolle spielt dabei der soziale Status? 

Manche Vermieter sagen ganz offen, dass sie nicht an Menschen vermieten, die Sozialleistungen empfangen. Das ist offene Diskriminierung, gegen die die Menschen bisher nichts tun können. Der soziale Status wird als Diskriminierungsform oft übersehen. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist die Diskriminierung wegen des sozialen Status nicht geschützt. Wir müssen mehr darüber sprechen, damit wir das Problem besser verstehen. Mein Ziel ist es, aufzuklären und mehr Bewusstsein für diese Diskriminierung zu schaffen.